Mit Multipler Sklerose im Job

Mit Multipler Sklerose im Job:
Studie bestätigt den Aufklärungsbedarf

Wer an Multipler Sklerose erkrankt ist, kann ein ganz normales Berufsleben führen. Doch welche Symptome erschweren den Arbeitsalltag? Was hilft, den Verbleib im Beruf zu erleichtern? Wo besteht Handlungsbedarf? Die Ergebnisse der REHADAT-Studie geben Auskunft.

Die überwiegende Mehrheit der Befragten mit Multipler Sklerose arbeitet in Vollzeit. Nur eine Minderheit fühlt sich gut informiert über die Erkrankung, die möglichen beruflichen Auswirkungen, aber auch über die zur Verfügung stehenden Unterstützungsmaßnahmen. Wie die Beschäftigten ihren Arbeitsalltag erleben, hat REHADAT, ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V., mit Unterstützung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. untersucht. Dazu wurden Erwerbstätige und Auszubildende mit MS im Herbst 2015 online befragt. Grundlage der Auswertung waren 846 vollständige Antworten. 67,7 % davon kamen von Frauen. Fast die Hälfte der Befragten hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und mehr.

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Welche MS-Symptome können die Arbeitsfähigkeit einschränken?

MS kann sich durch vielfältige Symptome zeigen, die nicht immer sichtbar sind. Am häufigsten genannt wurden Fatigue (75,4 %) und kognitive Einschränkungen (62,7 %). Etwa jeder zweite Befragte gab Empfindungsstörungen, jeder dritte Koordinationsstörungen als einschränkende Symptome an. Über ein Viertel fühlt sich durch Sehstörungen oder Muskelschwäche eingeschränkt. Etwa jeder vierte Erwerbstätige nannte Schmerzen, erhöhte Muskelspannung sowie Depressionen als Beeinträchtigung. Darüber hinaus treten Geh-, Gleichgewichts- oder Sprach- und Sprechstörungen auf. Aber es gibt auch Erwerbstätige mit MS ohne krankheitsbedingte Einschränkungen. Jeder sechste Befragte fühlt sich durch die Symptome der MS nicht beeinträchtigt.

Wie wirkt sich MS auf die Arbeit aus?

Bei den meisten – fast zwei Drittel – der Befragten trat die MS während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auf. Rund ein Drittel wurde bereits mit der Diagnose eingestellt. Etwa jeder achte Befragte musste aufgrund der MS den Arbeitsplatz wechseln, jeder zehnte musste den vorherigen Beruf aufgeben. Rund 74 % gaben an, auf welche Arbeiten sich die Erkrankung auswirkt. Am häufigsten treten Einschränkungen bei Tätigkeiten auf, die eine hohe Konzentration erfordern. Problematisch sind zudem belastende körperliche Arbeiten sowie Tätigkeiten, die mit viel Stress oder mit hoher Verantwortung verbunden sind. Erschwerend wirken Zeit- und Termindruck, Multitasking, wenig Pausen sowie Lärm im Großraumbüro. Einschränkungen bei feinmotorischen Tätigkeiten zeigen sich z.B. beim Schreiben am PC sowie bei Montagearbeiten. Hinzu kommen Probleme beim Autofahren, bei Arbeiten in starker Hitze, Kälte oder grellem Licht. Rund ein Drittel der Befragten kann aufgrund der Schwere der Symptome einige Tätigkeiten nicht mehr ausführen.

Wie hängen ein offener Umgang mit der MS und eine Anpassung des Arbeitsplatzes zusammen?

Etwa 46 % der Befragten haben Vorgesetzte sowie Kollegen über ihre Erkrankung informiert. Aus den Ergebnissen ist abzuleiten, dass mit etwa 60 % die meisten Arbeitsplätze bei den Erwerbstätigen so gestaltet sind, dass sie ohne Probleme ihre Tätigkeit ausüben können, die offen mit ihrer Erkrankung umgehen. Dagegen sind bei denen, die ihre Erkrankung verschweigen, nur etwa 10 % der Arbeitsplätze angepasst. Dieser Zusammenhang könnte dafür sprechen, dass eine offene Kommunikation eher zu einer auf die individuellen Anforderungen zugeschnittenen Arbeitsplatzgestaltung führt.

Welche Maßnahmen helfen im Arbeitsalltag?

Schon kleine Maßnahmen können viel bewirken. Sei es durch einen reservierten Parkplatz in der Nähe des Betriebseingangs, einen eigenen Drucker im Büro oder einen Arbeitsplatz in der Nähe der Toilette. Auch ein kühleres Einzelbüro reduzierten belastende Umgebungseinflüsse wie Hitze oder Lärm. Ruheräume ermöglichten flexible Erholungspausen. Als hilfreich empfinden die meisten Erwerbstätigen mit MS die Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen, Partner, Familie und Fachärzte sowie eine Anpassung der Arbeitszeiten. Weiterhin als positiv erwähnt wird zum Beispiel die Unterstützung durch Rehabilitationsmaßnahmen sowie finanzielle Unterstützungsleistungen wie die Teilerwerbsminderungsrente. Bei rund einem Viertel waren bislang keine unterstützenden Maßnahmen erforderlich.

Welche Hilfsmittel nutzen Erwerbstätige?

Die Antworten zeigen eine große Vielfalt der eingesetzten technischen Hilfen. Besonders häufig nannten die Befragten Sehhilfen wie Lupen und Brillen, große Computerbildschirme und Vergrößerungssoftware. Vielfach nutzen die Beschäftigten Mobilitätshilfen wie Rollstühle mit Zusatzantrieb, Rollatoren, Gehstöcke, Treppensteiger oder Elektro-Fahrräder. Als weitere Hilfsmittel für die Arbeitsplatzgestaltung gaben die Befragten ergonomisches Mobiliar, Hebe- und Transportgeräte sowie eine ergonomische Computer und Softwareausstattung an – von Tastaturen für die Einhand-Bedienung, Vertikalmäusen, Joystickmäusen oder Tastauflagen, interaktiven Tafeln, Headsets bis zur Spracherkennungs- und Sprachsteuerungssoftware. Weitere genannte Hilfen sind Kraftfahrzeuganpassungen wie die Umstellung auf Handbedienung oder Automatikgetriebe. Berufstätige, die hitze- oder stressanfällig sind, schützen sich mit Kühlwesten. Zur Entspannung dienen Yogamatten, Ruhesessel oder MP3 Player. Rund die Hälfte der Befragten (461) gab an, keine speziellen Hilfsmittel zu nutzen.

Wie gut informieren und beraten Experten zur Arbeitssituation?

Die Erwerbstätigen, die auf berufliche Beratung durch Experten angewiesen sind, fühlen sich am häufigsten durch Mediziner und Therapeuten gut informiert und beraten. Danach folgen die Selbsthilfeverbände/ -gruppen, Sanitätshäuser, Integrationsfachdienste, Rehabilitationsträger wie die Agentur für Arbeit oder Rentenversicherung und die Integrationsämter. Zugleich ist für die meisten Beschäftigten die Beratung in Bezug auf die Arbeitssituation durch Mediziner und Therapeuten erforderlich. Nur eine Minderheit fühlt sich gut informiert und benötigt keine weiteren Informationen.

 

Welche Informationen wünschen sich die Befragten?

Von den Berufstätigen, die sich mehr Informationen wünschen, hat die überwiegende Mehrheit noch Aufklärungsbedarf zu rechtlichen und finanziellen Themen. Gefragt sind kurze, einfach verständliche und leicht zugängliche Informationen, insbesondere über Versicherungen, Reha-Maßnahmen, Persönliches Budget und Umschulungsmöglichkeiten.

Fazit: Produktiv und motiviert trotz schwerer Krankheit – aber Informationen fehlen

Die rege Teilnahme an der Befragung sowie die vielen Hinweise zur Arbeitssituation verdeutlichen, dass die Berufstätigkeit ein existenziell wichtiges Thema für Menschen mit MS ist. Die Befragten wünschen sich noch mehr Aufklärung und Unterstützung – insbesondere durch das unmittelbare betriebliche Umfeld wie Vorgesetzte und Kollegen. Die Ergebnisse ermutigen dazu, offen mit der Erkrankung umzugehen. Erst wenn konkrete Bedürfnisse bekannt sind, lassen sich individuell passgenaue Unterstützungsmaßnahmen planen und umsetzen. Die REHADAT-Umfrage veranschaulicht, dass es vielfältige und teilweise wenig aufwändige Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung gibt, um die Leistungsfähigkeit und das Fachkräftepotenzial von jungen Berufseinsteigern und Berufserfahrenen mit MS möglichst langfristig zu sichern. Insgesamt zeigen die Aussagen, dass eine moderne Personalpolitik mit transparenter, vertrauensvoller Kommunikation und flexiblen Arbeitsbedingungen eine wichtige Voraussetzung für die berufliche Teilhabe von Menschen mit MS bildet.

Quelle: REHADAT-Umfrage 2015

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