Gestatten, mein Name ist MS.

GESTATTEN MEIN NAME IST MS Günter Klein

<< aus der Feder von Lilly Sulzbacher >>

HALLO! Ich bin die MS.
Mit vollem Namen heisse ich Multiple Sklerose. Aber dieAbkürzung finde ich cooler. Ist so ähnlich wie mit dem JR aus “Dallas”; ich bin ebenso unbeliebt. Im Gegensatz zu dem Ölmulti habe ich sogar noch einen lateinischen Titel: Enzephalomyelitis disseminata. Trotzdem: MS passt schon.

Bildergebnis für Multiple Sklerose

Allgemein wirft man mich in einen Topf mit den chronischen Krankheiten. Speziell stolz bin ich darauf, dass gegen mich noch kein Kraut gewachsen ist. Weil nämlich niemand weiss, woher ich wirklich komme und warum ich mir gerade den Menschen aussuche, der mich dann ein Leben lang am Hals hat. Natürlich arbeiten die Wissenschaftler mit Hochdruck, um mir auf die Schliche zu kommen. Gegenwärtig reparieren sie allerdings nur mehr als notdürftig die Schäden, die ich hinterlasse.

Bildergebnis für Multiple Sklerose

Ich bin ein wahres Genie, weil ausgesprochen wandelfähig und kreativ. Nicht umsonst nennt man mich auch “Die Krankheit mit den tausend Gesichtern”. Ich plage den einen heftiger, den andern fast gar nicht, entzünde Sehnerven, lasse stolpern und wanken, führe zu Missgriffen, verwirre die Empfindungen, tanze mit manchen den “Zitterfox”, mache schlapp oder auch steif, lasse bleierne Müdigkeit den Tag vermiesen, die Blase ein Eigenleben führen, vergälle das Liebesleben und zische da und dort mit einem mörderischen Schmerz durch die Glieder und Eingeweide. Je nach Lust und Laune mische ich einen Symptom-Cocktail zusammen oder belasse es auch nur bei einer Widrigkeit. Ich bin da sehr flexibel. Auch, was mein Bemerkbarmachen angeht. Ich komme oft schubweise daher, wobei mir der Überraschungseffekt ausgesprochen wichtig ist. Sehr gerne hinterlasse ich dann einen neuen Schaden oder auch zwei oder verstärke bestehende. Wenn ich ganz hinterhältig aufgelegt bin, stichel ich nur ein bisschen, grad so viel, dass es meinem Wirt nicht auffällt, aber genügend, damit er sich schleichend schlechter und schlechter fühlt.

Und dann gibt’s auch noch wenige Menschen, die mich derart langweilen, dass ich sie nur einmal heimsuche und danach nur mal so nebenbei vorbeischaue.

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Ach, ihr wollt wissen, wie ich mein zerstörerisches Werk verrichte? Die Wissenschaft glaubt, dass eine Virusinfektion im Kindes- oder Jugendlichenalter eine Rolle für mein späteres Auftauchen spielen kann. Lassen wir sie in dem Glauben. Soviel sei verraten: Ich niste mich im Zentralnervensystem ein, befalle an verschiedenen Stellen (daher multipel) in Gehirn, an den Sehnerven und im Rückenmark die Schutzhüllen der Nervenfasern (das sogenannte Myelin). Das führt dort zu Entzündungsherden und zu Vernarbungen (Sklerosen). Weil die Nervenfasern jetzt teilweise blank liegen oder hässliche Narben haben, leiten sie schlecht. Das wiederum löst diese unterschiedlichen Funktionsstörungen aus. Die Schutzhüllen können sich, wenn überhaupt, nur teilweise regenerieren, darum bleiben oft die Störungen erhalten. Und mit jedem Schub sorge ich dafür, dass der Schaden etwas grösser wird. Oder ich seh’ zu, dass die Entzündung schon gar nicht mehr nachlässt. Etwa zwanzig Prozent der Menschen, die ich heimsuche, zwinge ich früher oder später in den Rollstuhl. Man wird mit mir genau so alt wie ohne mich. Ansteckend? Gott bewahre! Dazu bin ich viel zu exklusiv. Darum lasse ich mich auch nur sehr, sehr ungern vererben.

Grundsätzlich mag ich lieber Jüngere und mir liegen Frauen mehr als Männer, darum befalle ich Frauen doppelt so oft. In jüngster Zeit finde ich auch immer häufiger Gefallen an Jugendlichen und sogar Kindern. Meine bevorzugte Heimat sind die gemässigten Klimazonen; ich mags eher kühl. Speziell wohl fühle ich mich in Skandinavien, wohingegen mir die Hitze des Südens absolut nicht behagt. Auch Japan ist mir nicht sympathisch.

Ach, es gibt so viel von mir zu erzählen! Dauernd entdecke ich selbst neue Seiten an mir. Was Wunder, kriegt man mich nicht zu fassen. Die Ärzte rücken mir neuerdings mit Interferonen zu Leibe. Schmeckt scheusslich! Drum lass ich mich bei den Menschen, die solches Zeugs spritzen, weniger oft blicken. Oder lass mal das Piesacken ganz sein.
Aber wirklich sicher vor mir machen die Chemiekeulen auch nicht – kommt ganz auf meine Tagesform an.

3 Kommentare

  • Hallo,
    fairerweise sollte man den Autor dieses Textes nennen, wenn man ihn verwendet. Es handelt sich hierbei um Lilly Sulzbacher aus der Schweiz, mit der ich im Emailkontakt stehe.

    Viele Grüße
    Anna
    http://www.mitmsdurchsleben.simplesite.com

    • Thomas Klempert

      Hallo Anna,
      ich bin davon ausgegangen, dass der Text von Günter Klein ist.
      Er ist also von Lilly Sulzbacher. Ich habe das natürlich sofort geändert.
      Entschuldigt meinen Fehler. Wollte mich nicht mit fremden Federn schmücken.

      Gruß
      Thomas

      • Hallo Thomas,
        das wollte ich dir auch mit meinem Kommentar nicht unterstellen.
        Mir war nur wichtig zu klären, wessen Feder dieser Text entsprungen ist.
        Ich finde Lilly beschreibt auf hervorragende Weise die Gesichter der MS, obwohl sie selber nicht an der Krankheit leidet.

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