Neulich auf der Couche

Erschöpft, müde, antriebslos?
Nun stellen Sie sich aber mal nicht so an, das sind wir doch alle mal! Ist ja auch völlig klar bei dem Wetter, bei diesem ewigen Hin und Her ist es doch kein Wunder, dass Sie müde sind. Überhaupt, wenn´s nur das ist…. seien Sie bloß froh, denn Sie haben doch MS, die Krankheit mit dem Rollstuhl, oder nicht?

Da klagen Sie über Müdigkeit? Mensch, haben Sie ein Glück, dass es Ihnen so gut geht und Sie keine anderen Sorgen haben. Schlafen Sie sich am Wochenende doch mal richtig aus, dann wird das schon wieder. Haha , wär doch gelacht…. Müde ….

Der MS-Betroffene ist heute ein wenig gereizt? Vielleicht, auf jeden Fall ist er Müde. Aber ist doch wahr: Was ist schon Ermüdung? Laut Wikipedia haben wir es bei physischer Ermüdung mit der „verminderten Kraft eines oder mehrere Muskeln im Vergleich zu der sonst in Abhängigkeit von der individuellen Leistungsfähigkeit zu erwartenden Kraft“ zu tun. Nun ja, es gibt Schlimmeres.

 

Sie mussten den letzten Satz zwei- oder gar dreimal lesen? Dann sind sie außer physisch wohl auch noch psyschisch ermüdet, du meine Güte. Dann liegen die Dinge natürlich noch ernster. Reden Sie doch mal ein ruhiges Wörtchen mit Ihrer Formatio reticularis, jenem Bereich des Gehirns, der bei Ihnen offensichtlich gerade nicht schläft.
Dieser schick klingende Bereich hemmt nämlich ganz munter verschiedene Systeme in unserem Oberstübchen, was eine Beeinträchtigung der Informationsaufnahme –weiterleitung und –verarbeitung- zur Folge hat. Das ermüdet auch psychisch, behauptet zumindest Wikipedia und da wird bekanntlich viel behauptet.

Kann der MS-Betroffene nur bestätigen. Das ist bestimmt immer dann der Fall, wenn er noch nicht einmal mehr sofort versteht, warum es mittags bei Tisch nach getaner Arbeit ungünstig ist, mit dem Kopf im Mittagessen zu landen und danach sekundenlang braucht, um vom Teller wieder hoch zu kommen, um das warme Zeugs aus dem Gesicht zu wischen.

Oder, wenn er zwar gerade noch entscheiden kann, ob Gouda oder Brie in den Einkaufswagen soll, aber schon Schwierigkeiten damit hat, den Einkauf auf das Band im Supermarkt zu hieven, geschweige denn, in die Taschen zu packen, danach ins Auto, ins Haus und zum Schluss in den Keller zu bringen.

Da träumt er schon manchmal, sehnsuchtsvoll von einem Wunderpulver aus der Werbung, das auf Knopfdruck einen sich unaufhaltsam ausbreitenden Strom an purer Lebenskraft von der Schädeldecke aus in jede Ecke des erstarrten, zerbrechlichen Leibes der vor den Lasten des Alltags niederknieenden, gläsernen Kreatur spült, die daraufhin augenblicklich aus ihrer Starre erwacht und alle Schwäche munter joggend hinter sich lässt.

Ach, wär das schön. Da der MS-Betroffene aber weiß, dass gerade Werbung Übertreibung anschaulich macht, probiert er es lieber weiterhin mit seinem guten und kostenneutralen Fatigue-Management. Also, Kraft sparen und ab auf die Couch, bis zum nächsten Gefecht  auch wenn die kommende Schlacht nur den Bakterienkolonien beim Zähneputzen gilt und kein napoleonscher Feldzug ist, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

Die oben erwähnte Formatio reticularis ist übrigens auch an der Regelung des Brechzentrums beteiligt. Ist klar. Es ist ja auch wirklich manchmal zum Kotzen mit der Fatigue…..

(Quelle: MS-Magazin NRW 03/17)

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