Offener Brief

Ein offener Brief an diejenigen, die keine MS haben

 

MS bedeutet, dass sich vieles verändert, vieles davon ist unsichtbar. Im Gegensatz
zu AIDS oder Krebs wissen die meisten fast gar nichts über MS und ihre Wirkungen.
Und diejenigen, die glauben es zu wissen, sind eigentlich falsch informiert. Hier sind
Informationen für diejenigen, die es verstehen wollen …
… Diese sind die Dinge, die Sie verstehen sollten, bevor Sie mich beurteilen…

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Bitte verstehen Sie, dass krank sein nicht heißt, dass ich kein Mensch mehr bin.
Aber ich bleibe die gleiche Person, nur festgehalten in diesem Körper. Ich mache mir
immer noch Sorgen über dies und jenes, Arbeit, Familie, Freunde und so, und
normalerweise höre ich immer noch gerne, was Sie über Ihre Sorgen zu berichten
haben.
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Verstehen Sie bitte den Unterschied zwischen “glücklich” und “gesund”. Wenn Sie
Grippe haben, fühlen Sie sich bestimmt miserabel, aber ich bin seit Jahren krank. Ich
kann mich nicht die ganze Zeit miserabel fühlen, im Gegenteil, ich arbeite hart daran,
nicht ein Häufchen Elend zu sein. Also, wenn Sie mit mir reden, und ich scheine
glücklich zu sein, dann bin ich es auch. Das ist alles. Es bedeutet nicht, dass ich
keine Schmerzen habe, oder dass ich nicht extrem müde bin, oder dass es mir
besser geht, oder so. Bitte sagen Sie nicht “Oh, es scheint Ihnen besser zu gehen!”.
Es geht mir nicht besser, ich bin einfach glücklich. Kommentare sind mir willkommen.
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Bitte verstehen Sie, dass wenn ich fünf Minuten lang stehen kann, dass das nicht
heisst, dass ich zehn Minuten oder eine Stunde lang stehen kann. Mit vielen
Krankheiten ist man entweder gelähmt oder nicht. Mit dieser ist es etwas
komplizierter.

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Bitte wiederholen Sie den vorigen Paragraph, mit den Verben “aufrecht sitzen”,
“gehen”, “denken”, “gesellig sein”, und so weiter. Das gilt für alles. Das ist, was diese
Art von Krankheit einem antut.
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Bitte verstehen Sie, dass MS variabel ist. Es ist möglich (für mich ist es häufig so),
dass ich heute zum Park und zurück laufen kann, und es morgen nicht bis in die
Küche schaffe. Bitte greifen Sie mich nicht an, in dem Sie sagen, “aber Sie haben es
vorher geschafft!”. Wenn Sie wollen, dass ich etwas mache, dann fragen Sie mich,
ob ich es kann. Im ähnlichen Sinn kann es sein, dass ich eine Einladung im letzten
Moment absagen muss. Wenn das passiert, nehmen Sie es bitte nicht persönlich.
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Bitte verstehen Sie, dass “ausgehen und was unternehmen” mich nicht besser fühlen
lässt, und meinen Zustand ernsthaft verschlimmern kann. MS kann Depression verursachen (wären Sie nicht auch deprimiert, wenn Sie ewig drinnen bleiben
müssten?), aber es wird nicht durch Depression verursacht. Mir zu sagen, dass ich
frische Luft und Bewegung brauche ist nicht nötig und nicht angebracht. Meinen Sie
ich würde es nicht machen, wenn ich es könnte?
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Bitte verstehen Sie, dass wenn ich sage ich muss jetzt
hinsetzen/pinkeln/hinlegen/diese Pillen nehmen dass ich es genau jetzt machen
muss. Ich kann es nicht verschieben oder vergessen bloß weil ich einen Ausflug oder
sonst was mache. MS vergibt nicht.

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Wenn Sie mir ein Heilmittel oder Heilverfahren vorschlagen wollen, machen Sie es
nicht. Nicht weil ich es nicht zu schätzen weiß, und nicht weil ich nicht gesund
werden will. Es ist, weil fast jeder meiner Freunden mir irgendwann eines
vorgeschlagen hat. Am Anfang habe ich alle ausprobiert, aber dann merkte ich, dass
ich soviel Energie dadurch verbraucht habe, dass ich kranker wurde statt gesünder.
Falls es etwas gäbe, was alle Leute mit MS heilen würde, oder auch nur helfen
würde, dann würden wir es wissen. Das ist keine Verschwörung der PharmaKonzerne. Es gibt eine weltweite Vernetzung der MS-Kranken, mit und ohne Internet;
falls etwas funktioniert; wir würden es wissen.
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Falls Sie mir, nachdem Sie voriges gelesen haben, immer noch ein Heilverfahren
vorschlagen wollen, dann tun Sie es am besten schriftlich. Aber erwarten Sie nicht,
dass ich es sofort ausprobiere. Falls ich davon noch nichts gehört habe, bespreche
ich es mit meinem Arzt. Er ist offen für Neues, er ist ein wunderbarer Mann, und er
nimmt meine Äußerungen ernst.

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In vielen Hinsichten brauche ich Sie – die Leute die nicht krank sind. Ich brauche
jemanden, der mich besucht, wenn ich zu krank bin um auszugehen, der für mich
einkauft, der für mich kocht und putzt, der mich zum Arzt fährt. Manchmal brauche
ich jemanden, der mich unterstützt, so dass ich ins Badezimmer komme ohne
umzufallen.
Auf eine andere Ebene brauche ich Sie auch; Sie sind meine Verbindung zur
Außenwelt. Wenn Sie meinen Liegestuhl nicht im Wohnzimmer aufstellen, kann ich
nicht fernsehen, wenn Sie mir die Zeitung nicht bringen, kann ich sie nicht lesen.
Wenn Sie mich nicht besuchen, kann ich Sie nicht sehen.
Und, ich brauche Ihr Verständnis, soweit wie möglich.