Kortisongabe
Kortisongabe – wie macht man es eigentlich richtig?
Um es vorweg zu nehmen, soviel kann man eigentlich bei einer Kortisontherapie gar nicht falsch machen. Manchmal entsteht bei MS Patienten ein wenig Verwirrung, wenn sie mit unterschiedlichen Vorgehensweisen konfrontiert werden – dann wird gefragt, „Warum hat mir der eine Arzt fünf Infusionen gegeben, der andere nur drei? Warum musste ich bei dem einen Arzt nach der Infusion noch Tabletten nehmen, bei dem anderen nicht?“Der allgemein akzeptierte Standard zur Behandlung des akuten MS Schubes ist die intravenöse Gabe von 1000 mg Methylprednisolon (Handelsnahme z.B. Urbason®) an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Manchmal wird die Gabe auf fünf aufeinanderfolgende Tage erweitert. Ich mache das, wenn ich – insbesondere bei schweren Symptomen (deutliche Sehstörung, Lähmung) – nach drei Tagen noch keine Tendenz zur Besserung sehe. Länger als fünf aufeinanderfolgende Tage therapiere ich normalerweise nicht – nach fünf Tagen warte ich lieber die nächsten ein bis zwei Wochen ab. Wenn sich bei einer schweren Symptomatik dann immer noch keine Tendenz zur Besserung zeigt, kann man entweder die Kortisontherapie in doppelter Dosis (2000mg/Tag an fünf aufeinanderfolgenden Tagen) wiederholen oder eine Plasmaaustauschbehandlung durchführen.
Häufig beobachte ich eine zu große Erwartung an die Wirkung der Therapie. Natürlich ist es wünschenswert, dass sich die Symptome schon unter der Kortisongabe komplett zurückbilden, aber häufig braucht es doch etwas mehr Geduld, manchmal Monate.
Was das orale Ausschleichen der Kortisontherapie nach der Infusion betrifft, so hat dies eher historische Gründe. Ich mache das nur noch sehr selten. Denn der wirksame Anteil einer Kortisonbehandlung des akuten Schubs ist die hochdosierte, intravenöse Gabe mit mindesten 500 mg Methylprednisolon pro Infusion. Also, orales Ausschleichen ist heutzutage kein „Muss“ mehr, aber es ist auch kein Fehler. Im Sinne des Konzeptes „soviel wie nötig“ verzichte ich in der Regel gerne darauf.
In Chatforen wird häufig über das „richtige“ Präparat diskutiert. Meines Wissens gibt es Patienten-Gruppen, die die Gabe von Dexamethason (Handelsname: Fortecortin®) propagieren. Hierbei handelt es sich um ein synthetisches, fluoriertes Kortisonpräparat mit einer Äquivalenzdosis von 1:10 – d.h. 1 mg Dexamethason entspricht ca. 10 mg Prednisolon. Zur Schubbehandlung mit Dexamethason sollte man demnach mindestens 40 mg pro Tag einsetzen. In der Neurologie mögen wir fluorierte Kortisonpräparate nicht so sehr, weil diese häufiger zu Muskelbeschwerden führen (Steroidmyopathie) – u.a. deswegen bevorzugen Neurologen in Deutschland Methylprednisolon zur Schubbehandlung der MS.
Aber gleich, welches Präparat man einsetzt, wichtig ist, dass es ausreichend hoch dosiert ist. Denn für die Schubbehandlung benötigen wir die sog. direkten Membraneffekte der Kortisonpräparate, und sie kommen erst oberhalb von mindestens 250 mg, besser 500 mg Prednisolon(äquivalent) zum Tragen. Das ist auch der Grund, warum eine Dauertherapie mit niedrigdosiertem Kortison bei der MS keinen Sinn macht. Hier hat man dann wirklich nur noch die (schwerwiegenden) Nebenwirkungen einer langfristigen Kortisontherapie und keine sinnvolle Wirkung auf die MS.
Manchmal wird gefragt, ob man nicht auch statt einer hochdosierten Infusion hochdosierte Tabletten einnehmen kann. Ich persönlich vertraue mehr der hochdosierten Infusion, auch wenn es Studiendaten zur Wirksamkeit von hochdosierten Tabletten gibt. Es gibt aber spezielle Situationen – z.B. Urlaub in einem Land mit schlechter medizinischer Versorgung – da ist es sicherlich eine sinnvolle Sache, im Falle eines Schubes hochdosierte Tabletten dabei zu haben, statt sich vor Ort eine Infusion geben zu lassen.
Zusammengefasst: es gibt zwar Unterschiede in der Herangehensweise, insbesondere situationsbezogen, aber der Standard zur Behandlung des aktiven MS-Schubs ist die Gabe von 1000 mg Methylprednisolon pro Tag über 3 – 5 Tage. Falsch ist eine nur niedrigdosierte Dauertherapie mit Kortison.
Mehr über die Wirkweise von Kortison erfahren Sie in einer laienverständlichen Animation auf www.amsel.de/ms-behandeln
(Quelle: MS-DOCBLOG)