MS-Zahlen im Wandel

MS-Zahlen im Wandel: Forscher suchen nach Gründen

Die Inuit im nördlichen Polargebiet erkranken nicht an MS. Und in Afrika ist die Erkrankung unbekannt. Lange Zeit schienen diese Theorien zu stimmen. Inzwischen jedoch werden überall auf der Welt immer mehr Menschen mit MS gezählt. Mehr über mögliche Gründe lesen Sie hier …

Weltweit laufen die Untersuchungen auf Hochtouren, in welchen Ländern MS wie häufig vorkommt. Die Wissenschaftler hoffen, durch derartige Erkenntnisse den Ursachen von MS auf die Spur zu kommen. Im Rahmen einer aktuellen Studie1 werteten Forscher verschiedene Studien zwischen 1995 und 2016 aus, um herauszufinden, wie viele Menschen mit MS in verschiedenen Regionen des südamerikanischen Kontinentes vorkommen. Die Unterschiede waren gravierend: Je nach geografischer Lage fanden sie eine Verteilung zwischen 0,83 und 38,2 Patienten pro 100.000 Einwohnern.

Wie bei anderen ähnlich gearteten Untersuchungen in anderen geografischen Gebieten ergab sich auch in Südamerika ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle. Doch während auf der Nordhalbkugel die Häufigkeit von MS in Richtung Nordpol zunimmt, nimmt die Häufigkeit auf der Südhalbkugel in Richtung Südpol zu. Die Studien ergaben, dass in Ecuador, Kolumbien und Panama – nahe dem Äquator – zwischen 0,75 und 6,5 Menschen unter 100.000 Einwohnern an MS erkrankt waren. In gewissen Regionen von Brasilien und Argentinien waren es 12 bis 38,2 (Buenos Aires) MS-Patienten pro 100.000 Einwohner.

Besonders ins Auge fielen die beiden Untersuchungen eines Wissenschaftlers, der die Anzahl an MS-Patienten in Buenos Aires in den Jahren 2009 und 2016 auswertete: 
Im Jahr 2009 waren 17,8 Menschen pro 100.000 Einwohner an MS erkrankt (über 1.800 Menschen) und im Jahr 2016 waren es 38,2 pro 100.000 Einwohner (über 4.900 Menschen). Innerhalb von 7 Jahren also scheint sich die Zahl der an MS erkrankten Personen mehr als verdoppelt zu haben.

Bildergebnis für MS Zahlen im Wandel

Gut zu wissen:

3 mögliche Gründe für die unterschiedliche Verteilung von MS je nach geografischer Lage und dafür, dass immer mehr MS-Patienten gezählt werden, haben wir hier für Sie zusammengestellt:
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1. Nähe zum Äquator = günstigere Sonneneinstrahlung für die Vitamin-D-Produktion?

Ob in Europa oder in Lateinamerika: Fast ausnahmslos zeigen die Schätzungen, dass die Erkrankungshäufigkeit mit steigender Entfernung vom Äquator zunimmt. Beispielsweise ist die Erkrankungsrate in Finnland höher als in der Türkei. Das legt die Vermutung nahe, dass die Sonneneinstrahlung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von MS spielen könnte. Die Sonneneinstrahlung wiederum steht in eindeutigem Zusammenhang mit dem Vitamin-D-Spiegel, da Vitamin D in der Haut der Menschen nur bei Sonnenschein entstehen kann.

Am Äquator steht die Sonne fast senkrecht zur Erde und je weiter man vom Äquator entfernt ist, desto geringer ist der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen. Dieser Einfallswinkel – nicht die Temperaturen in einem Land – ist entscheidend für die körpereigene Vitamin-D-Produktion in der Haut. In Deutschland ist zum Beispiel der Einfallswinkel der Sonne etwa in der Zeit zwischen April und September zwischen 11 und 15 Uhr günstig für die Vitamin-D-Produktion.

Tatsächlich wurden bei MS-Patienten niedrigere Vitamin-D-Spiegel im Körper gemessen als bei gesunden Menschen. Eine Studie² ergab sogar, dass die Teilnehmer mit dem höchsten Vitamin-D-Spiegel ein um 62 Prozent reduziertes Risiko für MS im Vergleich zu denen mit dem geringsten Vitamin-D-Spiegel hatten.

Ob ein Vitamin-D-Mangel aber Ursache oder Folge der Erkrankung sein könnte, weiß man allerdings (noch) nicht.
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2. Mehr Menschen mit MS in Industrienationen?

Das vermehrte Auftreten von MS in Europa oder Nordamerika kann ebenso mit den erhöhten Einwohnerzahlen in diesen Regionen gemäßigter Breiten einhergehen. Durch die erhöhte Einwohnerdichte kam es in Industrienationen früher als in armen Ländern zu der Entwicklung chronischer Erkrankungen. Schon seit längerer Zeit wird beobachtet, dass Allergien, Atopien und Autoimmunerkrankungen vor allem in Industrienationen immer häufiger auftreten. Man vermutet, dass das Immunsystem verwirrt sein könnte durch ständig neuen Umweltschadstoffe, Lebensmittelzusätze und Kunstfasern, durch den Verzehr exotischer Früchte oder chemisch behandelter Frucht- und Gemüsesorten und Fast-Food.

Alles zusammen sind Faktoren, die mit fast allen chronischen Erkrankungen in Zusammenhang stehen.



3. Mehr MS-Betroffene werden entdeckt − bessere Diagnose, mehr Sensibilität, höhere Lebenserwartung

Fast ausnahmslos nehmen in den industrialisierten Ländern die chronischen Erkrankungen zu – oder etwa nicht?

• Allein in den 5 Jahren zwischen 2008 und 2013 haben 30 Prozent mehr Neurologen ihre Arbeit aufgenommen:
• Vielleicht gehen die Menschen aufgrund verbesserter medizinischer Versorgung viel öfter zum Arzt, wo dementsprechend häufiger Krankheiten diagnostiziert werden?
• Oder reagieren Ärzte durch die intensive Berichterstattung und die Fülle an Informationen (z. B. aus dem Internet) einfach nur sensibler auf gewisse Anzeichen, sodass eher nach Krankheitsursachen gesucht und somit oftmals auch welche gefunden werden?
• Auch kamen in den 5 Jahren doppelt so viele Magnetresonanztomografen (MRT) für die Diagnose und zur Überprüfung des Therapieerfolges zum Einsatz.
• Resultieren steigende MS-Zahlen etwa aus den verbesserten diagnostischen Möglichkeiten?
• Und noch eine Frage stellt sich den Forschern immer wieder: Früher starben Menschen viel eher an ihren Erkrankungen. Aufgrund der besseren medizinischen Versorgung – zumindest in den Industrienationen – werden kranke Menschen heutzutage älter, als es noch vor 10 oder 15 Jahren der Fall war. Resultieren aus der steigenden Lebenserwartung auch die steigenden Zahlen an chronisch erkrankten Menschen?



Es gibt also sehr viele Vermutungen, warum MS verschieden häufig oder im Laufe der Zeit immer häufiger vorkommt. Vielleicht spielen alle Erklärungsansätze gemeinsam eine Rolle.

(Quelle: MSlife)

Referenzen:
1 Cristiano E, Rojas JI. Mult Scler J Exp Transl Clin. 2017; 3: 2055217317715050

2 Nair R, Maseeh A. J Pharmacol Pharmacother. 2012; 3: 118–126

 

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